Mitleid mit dem Sünder


■ Gott ist ja Seinem Wesen nach gut! Gott kann nicht anders als in moralischer Hinsicht nur gut wollen und somit gut sein. Weil Gott absolut und im unendlichsten Maß gut ist, kann Er nichts Schlechtes wollen bzw. intendieren geschweige denn zum Schlechten anleiten oder sogar selbst Böses tun. Denn würde Er etwas wollen und beabsichtigen (können), was in sittlicher Hinsicht schlecht und böse ist, wäre Er in Entsprechung zum elementaren fundamental-christlichen Gottesverständnis eben nicht der wahre und eigentliche Gott. Gott kann somit ohne die geringste oder scheinbar unbedeutendste Ausnahme nur als gut verstanden werden – sozusagen in Seinen Gedanken, Worten und Werken!
Gerade darin unterscheidet sich eben das christliche Gottesbild sowohl von zahlreichen heidnischen „Götter“-Vorstellungen oder auch z.B. von der islamischen „Allah“-Idee. Primitive Willkür und Rache, selbstsüchtig betriebene Manipulation der Menschen und elementare Bosheiten haben absolut nichts mit dem wahren und sog. christlichen Gott zu tun! Zwar enthält auch das Alte Testament einige Elemente eines solchen falschen Gottesbildes. Aber gerade Jesus unterzieht solches besonders in der Bergpredigt einer eindeutigen und unmissverständlichen Kritik (vgl. Mt 5,17-48), stellt den eigentlichen Willen Gottes heraus und setzt somit Seine Absicht in die Tat um, „Gesetz“ und „Propheten“ „zur Vollendung zu führen“! Gewissermaßen kulminieren diese Aussagen in dem einen Wort Jesu: „Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!“ (Mt 5,48.)
Vor allem identifizierte Er sich dann über alle Worte hinaus mit unseren Sünden, starb am Kreuz den stellvertretenden Sühnetod zum Zweck unserer Erlösung, der Befreiung aus der Macht der Unterwelt, und legte somit durch die entsprechende Tat auf eine durch nichts mehr zu übertreffende Weise an den Tag, wie unendlich und unbegreiflich groß Seine göttliche Liebe zu uns, den hilfsbedürftigen Menschen, ist!
Wenn aber Gott gut ist, kann Er nur wollen, dass auch alle anderen von Ihm erschaffenen Wesen, die über einen freien Willen verfügen (Menschen wie Engel), ebenfalls nur gut wollen. Denn würde Er nicht wirklich wollen, dass auch wir gut wollen und somit gut werden und bleiben, würde Er das Gute in unzulässiger Weise relativieren und letztendlich sogar ganzheitlich ablehnen. Denn dann würde Er ja die allgemeine Geltung des Guten nicht unbedingt und in jedem Fall bejahen, weil Er ja auch dem Bösen mindestens eine gewisse moralische Daseinsberechtigung zuschriebe! Das Gute kann aber seinem Wesen nach niemals (neben sich) eine wie auch immer geartete Existenz des Bösen moralisch akzeptieren, sprich gut-heißen. Denn nur das Gute soll sein, das Böse hat dagegen in den Augen Gottes niemals ein moralisches Recht auf Existenz!
Somit können auch wir, Menschen, das Gute nur dann wirklich und im eigentlichen Sinn des Wortes wollen, wenn wir es insofern ganzheitlich bejahen, dass wir intentional gleichzeitig auch die Zuwendung aller anderen Menschen zum Guten wollen. Zwar erträgt und erleidet das Gute die traurige Tatsache, dass Menschen konkret auch schlecht wollen und sich somit auch bewusst gegen das sittlich Gute entscheiden. Aber das Gute kann ein solches Fehlverhalten in moralischer Hinsicht niemals für rechtens erklären! Zwar nimmt das Gute das Schlechtsein eines anderen freien Willens notgedrungen hin (Toleranz, kommt von „tolerare“ - ertragen) – weil man ja das Gut-Sein niemand mit Gewalt aufzwingen kann, sondern es jeder nur in einem freien Willensakt innerlich bejahen soll –, aber es erkennt das Böse in dessen Anspruch auf sittlichkeitsrelevante Geltung niemals an (keine Akzeptanz)!
■ So stoßen wir bei unseren aufrichtigen Bemühungen, einem anderen Menschen z.B. eine von uns erkannte wichtige Wahrheit oder einen moralischen Lebenswandel zu vermitteln und ihn davon zu überzeugen, ja ebenfalls immer wieder an fehlendes Verständnis oder sogar an offenen Widerspruch seitens unseres Gegenübers. Und besonders wenn wir dabei bisweilen den starken Eindruck gewinnen sollten, unser Gesprächspartner wolle den Wahrheitsgehalt des betreffenden Arguments trotz eigener Erkenntnis nicht zugeben und somit im Gespräch mit uns nicht gelten lassen, regt sich in uns doch ein gewisser Unmut, der sich durch negative Bewertung dieser Person und nicht selten auch durch unser erregtes Gemüt äußert.
Wie oft regen wir uns bisweilen sogar höchst emotional auch über Personen auf, die Verantwortung und Einfluss in Politik, Gesellschaft und Kultur haben, ihrer nicht unbedeutenden Verantwortung für das Gemeinwohl aber entweder aus Leichtsinn oder aus Eigennutz oder aus Opportunismus oder aus böswilligem Kalkül oder aus irgendeinem anderen bisweilen sogar enorm sittlichkeitswidrigen Grund leider nicht gerecht werden und somit einen hohen moralischen, finanziellen oder sonstigen nicht unbedeutenden Schaden für das betreffende Land und Volk verursachen.
Haben wir denn nicht auch wirklich viele berechtigte Gründe, sehr deutlich den gewaltigen und schicksalshaften Verrat der „Konzilskirche“ und des von ihr leider geförderten Modernismus am überlieferten katholischen Glauben und der von Jesus Christus gestifteten Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche zu beschreiben und dabei natürlich auch die dafür Verantwortlichen deutlich beim Namen zu nennen? Wie furchtbar wird da die geoffenbarte Wahrheit Christi verbogen, verunstaltet und geleugnet; wie vielen Seelen wird da ein enormer Schaden für ihr ewiges Seelenheil zugefügt - das kann doch einen echten Jünger Jesu wirklich nicht kalt lassen!
So bringen wir dann bisweilen oder vielleicht sogar öfters doch auch nicht wenig Zeit, Kraft und Emotionen auf, um über den Bereich einer legitimen und höchst erforderlichen sachlichen Auseinandersetzung mit den betreffenden Irrtümern hinaus in eine dann doch zu hohe und über das gesunde Maß hinaus innere und auch äußere Erregung zu verfallen, um dem betreffenden großen Unmut Lauf zu geben. Man schimpft halt, wie man es volkstümlich formuliert, über die Übeltäter und kann es – in ehrlicher Empörung über das Unrecht – nicht fassen, dass der betreffende kritisierte Personenkreis so falsch und böse handeln könne!
■ Dennoch darf bei einem katholischen Christen die ganze Geschichte nicht bei diesem Stand der Dinge – ob entweder einer gerechten und maßvollen oder gerechten aber emotional übertriebenen Empörung über die betreffende Sünde und den betreffenden Sünder – grundsätzlich stehen bleiben (wenn wir, wie gesagt, in der Sache selbst sehr wohl recht haben). Da muss dann bei einem Jünger Jesu bei aller berechtigten Empörung über das betreffende Unrecht selbst unbedingt auch noch etwas hinzukommen, was auch für Jesus und die Heiligen von zentraler Bedeutung war – nämlich ein ehrliches und zutiefst aufrichtig empfundenes Mitleid mit dem elenden Zustand des betreffenden Sünders vor Gott!
Denn wenn wir ebenfalls gut sein und somit am Gut-Sein Gottes teilhaben wollen, können und dürfen wir nicht nur niemals irgendeine Freude an sittlichen Verfehlungen anderer Menschen oder eine innere Genugtuung darüber empfinden, als ob wir uns dann selbst für besser halten oder vor anderen Menschen als besser seiend präsentieren wollten. Nein, sogar auch eine jedwede Art von Gleichgültigkeit dem moralischen Schlecht-Sein anderer Menschen gegenüber müsste von uns der Kampf angesagt werden!
Jesus hat viel Unrecht seitens Seiner Gegner und Peiniger erfahren – davon zeugen viele Seiten des Neuen Testaments. Furchtbares Leid stürzte über Ihn vor allem am historischen Gründonnerstag und Karfreitag ein. Und obwohl Jesus zuvor bisweilen sehr hart ins Gericht gegangen war mit den Schriftgelehrten und Pharisäern (vgl. Mt 23), kam nie irgendein Wort des Fluches oder Hasses über Seine Lippen! Ja, Er musste diesen Leuten sehr deutlich die Wahrheit sagen bzw. sie auf ihre große Gottesferne hinweisen. Aber Jesus tat dies nur, um sie möglichst wachzurütteln und somit zu Besinnung und Umkehr zu bewegen.
So war Seine Seele im Garten Gethsemani „bis zu Tode betrübt“ (Mt 26,38), aber während der gesamten erfahrenen körperlichen wie seelischen Schmach danach hat Er keine innere Verärgerung oder einen echten Frust über die Bosheiten der Menschen an den Tag gelegt geschweige denn ihnen etwa den Tod oder irgendeine andere Strafe gewünscht!
Nein, in Bezug auf die Menschen sicherte Jesus am Kreuz dem reuigen Schächer das Paradies zu (vgl. Lk 23,39-43), wobei Er da nicht einmal den anderen, Ihn lästernden Schächer, irgendwie tadelte. Ebenso kümmerte Er sich um Seine Mutter und übergab sie der Obhut des Apostels Johannes (vgl. Joh 19,26f.).
Vor allem aber betete Er für alle Seine Feinde: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun“! (Lk 23,34.) Also galt Seine größte Sorge sogar auch zum Zeitpunkt Seines höchst ungerecht erfahrenen größten Leids nichts anderem als der Rettung der Menschen und keinesfalls ihrer etwaigen Bestrafung! Ihm tat es offensichtlich vordergründig weh im Herzen, dass die betreffenden Menschen sich so weit von Gott, Seiner Wahrheit und Gerechtigkeit, entfernt hatten, und war somit selbst nicht im Entferntesten daran interessiert, Gleichgültigkeit geschweige denn Zufriedenheit mit diesem betreffenden traurigen Zustand der Menschen und der Welt zu empfinden!
So „rief“ dann auch der Erzmärtyrer Stephanus bei seiner Steinigung in Bezug auf seine Verfolger „mit lauter Stimme“ entsprechend: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“ (Apg 7,60.)
■ Das Problem des Modernismus, in diesem Zusammenhang betrachtet, besteht darin, dass er zwar angeblich die Liebe Gottes betonen wolle, dabei aber in bestimmten ihm genehmen Zusammenhängen die Sünde bzw. das begangene Unrecht ignoriert und somit das Grundprinzip der Gerechtigkeit verletzt! So kommt es dann, dass er gerade den unsittlichen Wert der Sünde, der Irrlehre, der falschen Religion usw. nicht wirklich anerkennen möchte bzw. ihn praktisch ignoriert und über die betreffenden gewaltigen Verirrungen der Menschen nach eigenen Bedürfnissen heuchlerisch den sog. „Mantel der Liebe Gottes“ deckt. Von den betreffenden Sündern wird dann auch – in Abkehr vom Grundsatz der Gerechtigkeit – nicht mehr das Anerkennen und Bekennen ihrer Fehltritte, also weder echte Reue noch tätige Umkehr abverlangt! Letztendlich „rechtfertigt“ man da heutzutage auf eine solche Weise auch praktisch jede Häresie, Apostasie und Ehrfurchtslosigkeit den heiligen Dingen gegenüber – inzwischen ein berühmt-berüchtigten Markenzeichen der „Konzilskirche“!
Nein, ein echtes christliches Mitgefühl und ehrliches Erbarmen mit dem Sünder setzt vom Prinzip her die vorherige klare Benennung und schonungslose Anerkennung des betreffenden Unrechts als Unrecht, der Lüge als Lüge, der Irrlehre als Irrlehre usw. essentiell voraus! So hat es ja gerade Jesus selbst praktiziert, als Er z.B. der bei einer entsprechenden schweren Sünde ertappten Ehebrecherin begegnet war. Zwar vergab Er ihr wegen ihrer aufrichtigen Reue großherzig ihre gesamte Schuld vor Gott und den Menschen, indem Er sie auch gleichzeitig vor der Menschenmenge in Schutz nahm, die sie steinigen wollte. Aber die betreffende begangene Sünde blieb bei Ihm dennoch Sünde, als Er nämlich zu ihr sprach: „Auch Ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige fortan nicht mehr!“ (Joh 8,11.)
So forderte Er den Sinneswandel und die Abkehr vom falschen Lebenswandel als essentielle Bedingung für die Teilhabe an der Gnade der Erlösung: „Von da an begann Jesus zu predigen und zu rufen: ´Bekehret euch; denn das Himmelreich ist nahe.´“ (Mt 4,17.)
Die Tatsache, dass auch die katholische Kirche bei jeder Beichte vor der Erteilung der Vergebung eine sakramentale Buße auferlegt, die das Beichtkind erfüllen muss (und dies bei der Beichte eben verspricht), weist darauf hin, dass auch sie die begangene Sünde als solche keinesfalls verharmlost. Und sollten ganz schwere Vergehen gebeichtet werden, wie z.B. Mord, Totschlag, schwerer Raub oder schwerer Rufmord, kann und muss der Beichtvater vor der Erteilung der Lossprechung u.U. verlangen, dass der betreffende Mensch sich zuerst der Polizei stellt, um dadurch auch den Prozess der Strafe einzuleiten, die eben auch als Buße für das begangene große Unrecht angesehen wird.
Nach der Logik des alles verharmlosenden Modernismus bedürfte es aber nicht unbedingt einer solchen Bestrafung bzw. Buße, weil ja da die Sünde bis zur Unkenntlichkeit verharmlost wird und das betreffende Unrecht auch ohne Reue des betreffenden Täters irgendwie von selbst im Dunstkreis der Barmherzigkeit Gottes verschwindet.
■ Üben auch wir uns in ehrlichem Mitleid mit den uns begegnenden Sündern! Ja, sicher setzt es uns zu, wenn wir z.B. ungerecht behandelt werden oder eine Lüge über uns verbreitet wird. Zweifelsohne dürfen und sollen wir dann auch den betreffenden Verursacher zur Rede stellen – sowohl kritisch als auch sachlich – und somit natürlich auch eine entsprechende Richtigstellung des Sachverhalts verlangen.
Aber versuchen wir dann trotzdem zu vermeiden, sozusagen ewig lang über das betreffende Unrecht nachzugrübeln und uns darüber etwa aufgeregt und mit Empörung mit anderen zu unterhalten. Übersehen wir dabei bitte auch nicht, dass der Urheber des betreffenden Unrechts sich selbst in einen sehr bedauernswerten Zustand vor Gott als dem ewigen Richter stellt und haben wir somit diesbezüglich auch Mitleid mit ihm!
Manchmal beobachten wir, wie sich andere Menschen (eventuell auch auf unsere Kosten) aufspielen und sich als clever, gebildet, erfahren und ebenfalls zu großen Taten fähig darstellen wollen, in Wirklichkeit aber alle diese Qualitäten nicht unbedingt im hinreichenden Maß besitzen und durch ihr kindisches Benehmen eben eher ihre betreffende Unreife demonstrieren. Statt durch Demut und vielleicht gerade durch die Anerkennung der Leistung anderer in Erscheinung zu treten, weswegen sie dann von klugen Menschen umso mehr geschätzt werden würden, ziehen sie es vor, eben eher künstlich die Anerkennung ihrer vermeintlichen und nun vorgespielten Großartigkeit zu erreichen.
Ja, wir schütteln dann den Kopf über so viel an kindischem und offenkundig egozentrischem Benehmen erwachsener Leute. Aber vielleicht sollten wir dann auch umso mehr an ehrlichem Bedauern über eine solche geistige Armut empfinden. Ist denn ein Mensch nicht wirklich innerlich arm, der es sowohl zum Zweck der Selbstbestätigung als auch der Anerkennung durch andere anscheinend brauche, z.B. bei jeder sich nur irgendwie bietenden Gelegenheit irgendeine der eigenen und vielleicht sogar tatsächlich erbrachten positiven Leistungen hervorzuheben? Oder kann ein Mensch als sehr gereift gelten, der – nur um jemand anscheinend zu zeigen, dass er ebenfalls etwas kann bzw. eigene kluge Entscheidungen treffen könne –, z.B. gemachte Versprechungen und sogar Jahrzehnte andauernde praktische Abmachungen plötzlich einseitig und eigenwillig bricht?
Ein Jünger Jesu macht da natürlich ebenfalls die entsprechenden Feststellungen bzw. zieht daraus seine Schlussfolgerungen. Aber er hält sich dann nicht zu lang und zu intensiv bei den betreffenden Schwächen und Unzulänglichkeiten solcher Menschen auf, sondern geht dazu über, sein entsprechend ehrlich empfundenes Bedauern mit diesen Menschen in ein umso eifriges und beständiges Gebet für diese Menschen bzw. generell für die Bekehrung der Sünder umzusetzen!
Das hält uns dann auch davon ab, uns zu lange und zu stark bei den Sünden und Fehlern anderer Menschen aufzuhalten, als es aus Gründen der Gerechtigkeit unbedingt notwendig ist, und hilft uns gleichzeitig dabei, an die eigenen wohl nicht wenigen Verfehlungen zu denken. Sind wir doch auch eher daran interessiert, von anderen Menschen einen guten, sachlichen und zweckdienlichen Hinweis zu erhalten (den wir dann natürlich auch wirklich beherzigen sollten!) und des aufrichtigen Gebetes für uns versichert zu werden, als ständig nur wegen unserer Fehler zeitlich wie inhaltlich übertriebene Kritik zu erfahren.
■ Ein Priester erzählte einmal, wie ihm eines Tages plötzlich und wie auf einen Schlag bewusst wurde, wie oft er doch andere Menschen auf eine ungesunde und doch wenig christliche Art beurteilte, indem er nämlich an ihre Adresse letztendlich doch eher lieblose Wertungen richtete: der eine sei halt zu dick, der andere achte nicht auf sein Äußeres, dieser habe komische Kleidung an, jener falle durch "falsche" Hautfarbe auf. Und all das weniger auf eine sachliche, sondern eher auf eine emotional-negative Art und Weise.
Dann besann er sich auf seine ihm als einem katholischen Christen und Priester von Gott gegebene Berufung und somit Pflicht, doch eher den Segen Gottes zu mehren und zu verbreiten als Vorurteile, Gegnerschaft und Feindschaft, doch eher für die Menschen in ehrlicher Gesinnung zu beten als sich zu viel und zu lang bei ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten aufzuhalten - auch wenn sich die betreffenden Sünden, Fehlgesinnungen und –verhalten, natürlich keinesfalls einfach so aus der Welt reden lassen und somit weiterhin objektiv als solche benannt werden dürfen und müssen. Denn wenn man für den betreffenden Sünder betet, kann man eher auch und vor allem seine Abkehr von seiner geistigen Dunkelheit und seine Zuwendung zum Licht des Evangeliums Jesu Christi bewirken!
So erfahren wir ja wohl alle Situationen, in welchen es uns analog geht, wie dem gerade erwähnten Priester, und wir somit zu viel an lieblosen Gedanken und gereizten Empfindungen in Bezug auf andere Menschen zulassen. Beten wir also ebenfalls bewusst um die Gnade Gottes und finden wir dann auch die Kraft, auch möglichst einen klaren Schnitt zu machen, um dann eben gleichermaßen eher Mitleid mit der betreffenden geistigen Armut des jeweiligen mit Fehlern behafteten Menschen zu empfinden, als uns sich auch auf uns auf eine höchst ungesund auswirkenden Weise frusterfüllt in das betreffende Fehlverhalten hineinzusteigern. Wollen wir ebenfalls weniger Richter und mehr Helfer sein: „Denn Gott hat Seinen Sohn nicht dazu in die Welt gesandt, dass Er die Welt richte, sondern damit die Welt durch Ihn gerettet werde.“ (Joh 3,17.) Heißt es ja zudem schon im Alten Testament: „´So wahr Ich lebe´, - Spruch des allmächtigen Herrn – ´Ich habe kein Wohlgefallen am Tod des Gottlosen, sondern daran, dass sich der Gottlose von seinem Weg bekehre und lebe´.“ (Ez 33,11.)
Lassen wir uns sozusagen eine Gesinnung „anwachsen“, eine jede sachliche Kritik an anderen Menschen, sofern sie überhaupt als notwendig erscheinen sollte, unbedingt auch von einem aufrichtigen Gebet für sie zu begleiten, sie mögen primär ihre Schwäche überwinden und dann eben umso richtiger denken und gereifter handeln. Wir stoßen ja praktisch jeden Tag und in vielerlei Hinsicht an die Grenzen dessen, was wir als Einzelmenschen durchschauen, hinreichend verstehen und somit persönlich intellektuell „verdauen“ können. Umso mehr soll uns als den Jüngern Jesu dann wie die Heiligen die grundsätzliche Gesinnung des Erbarmens mit den menschlichen Unzulänglichkeiten verschiedener Art erfüllen, welche dann von uns ins ehrliche und beständige Gebet „transformiert“ werde und zu unserer Grundhaltung werde: „Kyrie eleison! – Herr, erbarme Dich unser!“ Formulierte ja der hl. Kirchenlehrer Augustinus so zutreffend das Prinzip, man solle zwar die Sünde als solche unbedingt hassen, den betreffenden Sünder dabei aber christlich lieben!

P. Eugen Rissling

 

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